Wehmütige Sehnsucht nach einer verlorenen Zeit

Mein großer, kleiner Junge…

seit einigen Tagen ist Deine kleine Schwester nun bei uns. Und seitdem überkommt mich immer wieder ein Gefühl, eine starke Sehnsucht. Ich denke an die Zeit, als Du gerade das Licht der Welt erblickt hattest, als Du noch so unfassbar klein und zart warst.

Wir hatten damals alles andere als einen leichten Start. Deine Geburt war für mich ein Erlebnis, an dem ich lange Zeit zu knabbern hatte, denn es lief überhaupt nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Nein, es war eine Erfahrung, die mich nicht nur körperlich an meine Grenzen brachte. Dabei war ich vorher so entspannt, hatte keinerlei Ängste vor Deiner Geburt. Im Gegenteil – ich habe mich darauf gefreut. Ich habe mich auf Dich gefreut!

Doch der Zauber dieses besonderen Augenblicks stellte sich bei mir nicht ein, so wie immer alle erzählten. Ich war natürlich sehr glücklich darüber, Dich endlich in den Armen halten zu dürfen, dennoch war ich so sehr gefangen in einem Kreislauf aus Schmerzen und Ängsten. Aber nicht nur ich hatte es schwer…

Ob es auch die Geburt war, die bei Dir Spuren hinterließ, weiß ich immer noch nicht so genau. Auf jeden Fall hattest Du mit Dir selbst schwer zu kämpfen. Denn Du hast geweint und geweint, und hast Dich hineingesteigert bis zur Hysterie. Wir waren so ratlos, weil wir nicht wussten, was Dich quält und jeder Versuch Dein Leid zu lindern erfolglos war.

Ich selbst war so unfassbar gestresst und verzweifelt, noch angeschlagen von der Geburt, von der ich mich scheinbar nie erholen würde, mit einem schreienden kleinen Bündel im Arm, dem ich einfach nicht helfen konnte.

Natürlich fanden wir irgendwann heraus, was Dir fehlte. Doch bis dahin gingen viele Wochen und Monate ins Land.

Und jetzt? Ich habe gemerkt, dass die erste Zeit mit Deiner Schwester so anders ist, so viel ruhiger und entspannter. Wir können uns in aller Ruhe kennenlernen, weil weder eine schwere Geburt, noch eine besonders stressige Atmosphäre zwischen uns steht. Ich kann es einfach genießen. Ich fühle mich ausgeglichen und sie ist auch entspannt, wenn sie nicht gerade mal wieder von Bauchschmerzen geplagt wird. Und der Zauber dieser ersten Zeit ist so besonders.

Und dabei denke ich immer wieder an Dich, mein Schatz! Denn wir hatten nicht die Gelegenheit uns auf diese Art und Weise kennenzulernen. Wir wurden unserer ersten Zeit einfach so beraubt, dieser Zauber wurde uns einfach genommen. Und das macht mich im Moment immer wieder so unendlich traurig.

Am liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen und noch mal von vorne anfangen mit Dir. Alles besser machen. Entspannter sein, versuchen dieses Wunder – Dich – richtig genießen zu können.

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Ich weiß, ich habe mein Bestes für Dich getan. Und trotzdem meine ich immer, dass das noch zu wenig war. Doch das ist Blödsinn. Ich bin für Dich an meine Grenzen gegangen. Sogar darüber hinaus. Doch ich wollte perfekt sein für Dich. Aber wer ist schon perfekt? Es reicht einfach gut genug zu sein, zu wissen, dass man getan hat, was man konnte. Und das Gute ist, dass du dich an diese Zeit wohl nicht mehr erinnerst.

Unsere wirklich schöne Zeit fing erst ein paar Monate später an. Erst als es Dir besser ging, ging es auch mir besser und wir wurden zu einem guten Team, sind eng zusammengewachsen. Und trotzdem sind da noch immer Wünsche offen…

Von nun an geht es aufwärts!
Von nun an geht es aufwärts!

Was ich mir heute wünsche, fragst Du mich? Dass wir noch einmal einen Neustart beginnen könnten. Ohne Stress, ohne Ängste und Sorgen, ohne Schmerzen…dass wir unser damals so zartes Band noch einmal neu knüpfen könnten – stärker und fester, vom ersten Augenblick an. Diese besondere Zeit würde ich gern noch einmal unbeschwert mit Dir erleben können.

Ich weiß, dass das nicht geht. Und Du weißt das auch. Genießen wir also das Hier und Jetzt gemeinsam. Lass uns das Leben gemeinsam genießen, mein Großer – zusammen mit Papa und Deiner kleinen Schwester!

Ich liebe Dich, mein Schatz!

Deine Mama

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